Blues Piano Feeling at it´s Best – Norah Jones und Marian McPartland in Tanglewood

Stimmen sind Musik. Orte können Musik sein. Und das Aufeinandertreffen von zwei Menschen kann wie Musik sein. All dies trifft auf dieses Video zu – es ist ein echter Schatz für Liebhaber von Klavier- und Blues-Musik in laid-back-Stimmung.

Generationen treffen aufeinander – man hört es an den Stimmen: Marian McPartland (*1918) ist die erfahrene Jazz- und Blues-Pianistin. Ihre dunkle, etwas brüchig und müde klingende Stimme drückt aus: ich habe schon vieles erlebt, ich kenne alles in der Blues- und Jazz-Musik aber ich habe immer noch Spaß an dem, was ich tue. In Norah Jones´ (*1979) Stimme klingt ein Lächeln und die Unbeschwertheit einer jungen Frau durch ohne girliehaft zu sein. Ein wunderbarer Kontrast oder besser gesagt eine wunderbare Ergänzung.

Generationen vereint – man hört es an der Musik: die beiden Frauen verstehen sich, sie respektieren sich. Die 61 Jahre ältere Marian erforscht bei Norah Jones, wie sie zur Musik, zum Blues und Klavierspiel gekommen ist. Und Norah Jones scheint ganz verzaubert zu sein von Marian McPartland, was man auch wirklich sein kann, so gut wie sie Klavier spielt.

„That was a little bluesy, wasn´t it?“ sagt Marian nach einem der ersten Stücke zu Norah. Ja, das ist es und es ist ganz wunderbar. Wunderbare laid-back Musik für einen ruhigen Sonntagmorgen oder am späten Abend. Ein weiteres Zitat aus den kurzen Unterhaltungen der beiden: „… talking about the blues – maybe we can do Summertime …“. Yes, yes, yes – mein Highlight ab Minute 33.30.

Tanglewood – ein zauberhafter Ort: Tanglewood ist die Sommerresidenz des Boston Symphony Orchesters. Es ist ein einsamer Ort in New England; in einem parkähnlichen Anwesen stehen einige kleinere Gebäude, in denen geprobt und musiziert wird. Zudem gibt es neben der Seiji Ozawa Konzerthalle die große Koussevitzky-open-air-Bühne. Alles wirkt etwas antiquiert und eine ruhige und sehr fokussierte Atmosphäre ist spürbar. Wer als Musikliebhaber die Gelegenheit hat, diesen Ort zu besuchen und dort ein open-air-Konzert zu erleben, sollte das unbedingt machen.

PS: Das „Video“ besteht nur aus einem einzigen Standbild – macht gar nichts, die Musik zählt und die ist gut!

Wehmütiger Abschied ohne Zorn

Selten habe ich eine Musik-Beschreibung als so treffend empfunden, wie „Wehmütiger Abschied ohne Zorn“ zum Walzer Nr. 3 von Johannes Brahms. Stefan Mickisch hat diese Formulierung gefunden auf seiner CD Tonarten und Sternzeichen.

Dieser kleine, einminütige Walzer steht in gis-Moll. Stefan Mickisch ordnet gis-Moll dem Sternzeichen Jungfrau und der Tageszeit 16.00-18.00 Uhr zu, also dem späten Nachmittag, nach der großen Hitze, im Übergang zum Abend. Das ist ein schönes Symbol für einen wehmütigen Abschied ohne Zorn: Abschied von einem sonnigen, schönen Nachmittag, im Übergang zu Abend und Nacht.

Walzer op. 39 Nr. 3 in gis-Moll von Johannes Brahms

Discovering Sound – eine Musikstunde mit der Pianistin Maria João Pires in Belgais

Discovering Sound ist ein hoch interessanter Film über den Weg der persönlichen Entwicklung, die die Weltklasse Pianistin Maria João Pires ihren Schülern in Belgais ermöglicht. Hier kann man miterleben – und manchmal auch mit erleiden (im Teil zu Body Language) – welche Botschaften Pires ihren Schülern mit gibt. Es lohnt sich, sich 80 Minuten Zeit zu nehmen und in den Film ein zu tauchen (die schlechte Bildqualität wird durch den Wert des Inhalts aufgehoben).

Die Schüler bei Pires sind allesamt technisch ausgereifte Pianisten. Was gibt es so Besonderes in Belgais zu lernen? Die Botschaft von Maria João Pires ist, dass nur derjenige (neben allen technischen Fertigkeiten) zu einem wahren Musiker wachsen kann, der es geschafft hat, im Einklang mit sich selbst zu sein. Nur dann wird sich beim musizieren ein Flow-Erlebnis einstellen. Nur dann wird man mit dem Klavierspiel andere Menschen berühren können.

Pires: „Was wir hier machen ist, Menschen auf zu wecken. Meistens wissen die Menschen, die hierher kommen, nicht wonach sie suchen. Sie meinen sie sind hier, um Karriere zu machen oder mehr Konzerte spielen zu können. Sie versuchen dann etwas, was gegen ihrer selbst ist. Wenn Sie aber versuchen, sich selbst zu finden, dann werden sie so eine unglaubliche Kraft haben, das alles möglich sein wird. Die Menschen haben keine Vorstellung von der Kraft, die entsteht, wenn sie bei sich selbst sind. Sie wissen nicht, dass sie damit alles tun können, einfach alles.“

Ab Minute 29 beginnt der geradezu schmerzlich beeindruckende Teil zum „Body Language“. Der Body-Language-Trainer wählt Juliana (Steinbach) als erste Studentin aus. In den folgenden Minuten erlebt und erleidet man mit, über welchen harten Weg der „Entblößung“ es wohl unausweichlich gehen muss, um zu sich selbst zu finden, seine eigene Stimme zu finden und sie in seiner Musik zum Ausdruck zu bringen. Man sieht in den Gesichtern der anderen Studenten welcher Kraftakt hier vollbracht wird, eine Mischung aus peinlichem berührt sein, äußerster Anspannung und fast schon körperlichem Schmerz. Auch Juliana scheint es sehr unangenehm und peinlich zu sein. Sie wirkt verspannt, hat körperliche Schmerzen und wohl niemand im Kurs würde sich wundern, wenn sie aufstehen und den Raum verlassen würde. Aber sie stellt sich der Herausforderung, geht den ganzen Prozess durch und am Ende spielt sie, und wie!

Eine wesentliche Botschaft aus dem Body Language Teil formuliert der Trainer so: „Das was ich versuche, ihr beizubringen ist, nicht zu ignorieren, was ihr Körper tut. Der Körper ist magisch. Wenn du mit ihm sprichst, dann versteht er dich. Wenn du deinem Körper sagst ‚Hey, du hältst etwas fest!‘, dann wird der Körper es sofort loslassen.“ … „Es geht vor allem darum, die Wände der Verteidigung, die wir aufgebaut haben, zu vergessen.“

Zum Schluß noch ein paar interessante Aussagen von Maria João Pires:

„Wettbewerb zerstört den Blick auf das eigene Ich. Man schaut auf den Wettbewerber und verliert sich selbst aus den Augen. Ist er besser als ich? Das bringt die junge Generation weit weg von der Wahrheit, die sie zu sich selbst führen kann.“

„Den Erwartungen entsprechen zu wollen wird zu einem erdrückenden Gewicht und verhindert zu spielen und Spaß zu haben. Am Klavier bist du alleine, also habe Spaß.“

PS: Für meinen Geschmack besonders schöne Stücke bei Min 12.00, Min 44,10, Min 1.08.50.

in the mood for music

Frédéric Chopin – Trauer, Sehnsucht, Hoffnung

Frédéric Chopin gilt als einer der besten Komponisten für Klaviermusik. Er hat besondere Musik geschrieben – besonders emotionale und, wie ich finde, innige Musik.Sein musikalisches Werk spiegelt sein Leben wider, das im Alter von 20 Jahren eine einschneidende Wendung erfuhr. Frédéric war nach Wien aufgebrochen, um einen Freund zu besuchen, als wenige Tage später in Polen der Novemberaufstand gegen die russische Besetzung begann. Aus der anfänglichen Empfehlung, zunächst in Wien zu bleiben, wurde später die bittere Gewissheit, dass er nie wieder in sein geliebtes Polen zurückkehren konnte – ein tiefer Schmerz, der ihn den Rest seines leider sehr kurzen Lebens (er starb mit 39 Jahren) nie wieder los ließ. Aber er war sicherlich auch ein optimistischer Mensch, zumindest ein Mensch mit einer tiefen Sehnsucht und Hoffnung, dass diese Wunde eines Tages wieder heilen würde.

Alice Sara Ott hat 2010 die neunzehn Walzer von Chopin unglaublich feinfühlig und nuanciert eingespielt – für meine Ohren eine Glanztat. In dem sehenswerten Video zur CD gibt sie eine Empfehlung von Chopin wieder, seine Musik im Dunkeln auf dem Klavier zu spielen, um wirklich die Stimmung nachzuempfinden. Nun ist seine Musik selbst in den dunklen Passagen nie depressiv, sondern eher von Trauer und Sehnsucht geprägt. Sicher ein Grund, warum man sie immer wieder hören kann. Und typisch Chopin: es gibt stets eine Wendung ins Positive, die Hoffnung, dass doch noch alles gut wird – oder die Erinnerung an eine schöne Zeit. Genau diese Stimmungswechsel bringt Alice Sara Ott mit ihrem Spiel phänomenal heraus. Meine Empfehlung für dunkle und helle Tage.

Wie man das Klavier zum Singen bringt

Musik erzählt uns Geschichten auf ihre ganz eigene und unnachahmliche Art. Aber nicht jede Geschichte geht unter die Haut. Es kommt auf viele Details an: spricht mich das Thema an, erfasst es meine Stimmung, und natürlich: wie ist es erzählt?

Eine Geschichte am Klavier hat viel mit dem Ton – oder wie Pianisten auch sagen – mit der Stimme, dem Gesang des Spiels zu tun. Aber wie bringt man ein Klavier zum Singen? Wer kann das besser erklären als eine russische Pianistin? Anna Gourari sagt von sich selbst, dass sie melancholisch ist, vielleicht zu melancholisch. Für Klavierfreunde und Freunde der russischen Seele in der Musik ist das ein Glücksfall. Denn das Melancholische in der russischen Musik lebt ganz besonders von der vortragenden Stimme. In diesem kurzen Video von klickklack erklärt sie, wie man das am Klavier macht -… wenn es doch nur so einfach wäre.

http://www.youtube.com/watch?v=WfeF7_boOaI

So was geht in Deutschland nur in Köln

So viel Disziplin, so viel Strenge, soviel Kontrolliertheit gibt es in diesem Land, aber da ist eine Stadt, eine Stadt in Deutschland, die ist anders,
… Da singen die Leute
… Da lachen die Menschen
… Da gibt es Gemeinschaft (auch wenn sie alle Individualistn sind)
… Da gibt es den Karneval, dieses so ganz undeutsche Ereignis
… Da ist mein Lieblings-Konzertsaal ( und noch viel mehr)
… Da gibt´s Musik ohne Ende

Das gibt es nur in Köln!

Und ach ja, dort gab es das LEGENDÄRE Köln Concert von Keith Jarrett – die CD dazu und insbesondere das folgende Stück Part II c begleitet mich nun schon mein ganzes musikalisches Leben lang.

http://youtu.be/DjCuupHPk7Q

Bach und immer wieder Bach

Wenn es mir schlecht geht, dann höre ich Bach. Danach geht es mir gut. So einfach ist das. Aber warum? Letztlich habe ich keine Ahnung warum das so ist, aber eines weiß ich: es „funktioniert“. Es fühlt sich so an, als ob die Musik von Bach alles, was bei mir aus dem Lot geraten ist, Stück für Stück wieder an die richtige Stelle rückt? Ich stelle mir das wie beim Defragmentieren einer Festplatte vor; alles was auseinander gerissen wurde wird wieder zusammen gesetzt, nach und nach mit erstaunlicher Präzision.

Eine meiner liebsten Bach-Aufnahmen ist die Einspielung der Goldberg Variationen von Simone Dinnerstein. Bereits die Aria, das erste Stück, ist etwas ganz besonderes. Sie spielt sie so viel langsamer als viele andere Pianisten und genau dadurch leuchtet sie die Musik auf eine ganz besondere Weise aus. Aber sie selber kann das in dem Video viel besser erklären, zum Beispiel, wie wichtig ihr die Stille zwischen den Noten ist. Viel Spaß dabei. Wenn ihr eine besondere CD sucht, die euch ein Leben lang begleiten kann, dann empfehle ich euch die Aufnahme der Goldberg Variationen von Simone Dinnerstein.