Mr. Bojangles – ein gelebtes Leben

Heute poste ich wieder zu einem Song, der mich seit vielen Jahren fasziniert: Mr Bojangles vom amerikanischen Country-Sänger und Songwriter Jerry Jeff Walke.

Ich habe lange darüber nachgedacht, warum mich dieses Lied so fasziniert und selten ist es mir so schwer gefallen, dazu eine Meinung zu entwickeln. Es ist fröhlich, melancholisch und traurig zugleich. Es erzählt von einem Leben, das meinem so fern scheint und doch ist die Geschichte sehr anziehend. Die Musik wirkt leicht und einfach, schmeichelt sich ein, wird aber nie flach und ist auch beim x. Anhören noch unendlich gut.

2017 erschien das Buch „Warten auf Bojangles“ von Olivier Bourdeaut in deutscher Übersetzung im Piper Verlag. Es ist ein großer Erfolg was einen verwundern mag, geht es doch um die Liebe eines Paares, das vom extravaganten Leben voller verrückter Ideen (der Frau) erzählt, ein Leben gegen den Strich und die Konventionen gebürstet. Kann das gut gehen? Oder ist so ein Leben nicht das gelungenere, das lebenswertere? Ist ein konventionelles Leben nicht „verrückt“? Oder sind verrückten Ideen nur Eskapaden, die ein fortdauerndes Scheitern erträglicher machen?

Einige Zitate aus dem Buch mögen einen Eindruck vermitteln, wie das Leben dieses Paares (mit Kind) sich anfühlt. Es beginnt im Vorsatz mit einem Zitat von Charles Bukowski.

Manche Leute werden niemals verrückt. Was für ein schreckliches Leben müssen die führen (Charles Bukowski).

„Sie hatte es geschafft, meinem Leben einen Sinn zu geben, indem sie es in ein einziges Chaos verwandelte.“

„Vergessen Sie Ihren Unsinn nicht, den kann man immer gebrauchen.“

„Wie allen anderen waren auch Vater vor Lachen die Tränen gekommen, doch er verbarg als Einziger sein Gesicht.“

„…, weil alles, was von den guten Tagen blieb, ein misslungenes Foto war.“

„Nie war Maman schöner gewesen, und ich hätte alles dafür gegeben, dass dieser Tanz nie zu Ende wäre und nur immer weiter ginge.“

„Wir waren an einem Punkt angekommen, wo wir tatsächlich keine andere Wahl hatten, als der Vernunft einen Arschtritt zu verpassen.“

„Denn diese Musik war wie Maman, traurig und fröhlich zugleich.“

Im Buch dreht sich alles um die von Nina Simone gesungene Version vom Mr. Bojangles. Mir gefällt die Version von Sammy Davis Jr (wenn man mal das spießige TV-Setting ausblendet) deutlich besser oder alternativ die Version von Robbie Williams (man beachte seinen irren Blick und den coolen Tänzer).

Frühling – was hat das denn mit der Goldberg-Variation zu tun?

Als ich am heutigen Sonntagmorgen zum Bäcker fuhr, hörte ich die Variation Nr. 14 aus der Goldberg Variation von Johann-Sebastian Bach. So fühlt sich Frühling an, so hört sich Frühling an, dachte ich sofort. Voller Kraft, unbändig sprießend, nicht im Zaum zu halten. Ein einzige Freude und Lebenslust. In unserem Garten blüht gerade unser Kirschbaum. So sieht Frühling aus, wie schön.

Einen Mini-Ausschnitt vom Kirschbaum seht Ihr oben im Bild. Die ganze Variation Nr. 14, gespielt von András Schiff (m.E. eine der besten Interpretationen) findet Ihr hier. Genießt den Frühling. Viel Spaß.

Nachtrag: nun ist leider das Video nur mit der Variation Nr. 14 von der Gema gesperrt worden. Macht nichts, dann hört die gesamte Goldberg Variation live gespielt von Andras Schiff – die Variation Nr. 14 beginnt bei 29.07 Min

Nachtrag 2: nun ist auch die gesamte Goldberg Variation von András Schiff gelöscht worden – kauft die CD o.ä. es lohnt sich. Hier als „Ersatz“ die m.E. etwas zu schnelle aber wahnwitzig gute Version von Glenn Gould.

Gibt es den Wow-Effekt?

Kennt ihr das auch: Man nimmt an einem besonderen Event teil oder fährt erstmals zu einem besonderen Ort, den man immer schon toll fand. Häufig ist man dann enttäuscht, weil die Erwartungen einfach zu hoch waren. Ganz selten werden die Erwartungen erfüllt oder gar noch übertroffen. So ging es mir in dieser Woche als ich überglücklich eine Restkarte für die Elbphilharmonie in Hamburg erstehen konnte. Da war ich dann also plötzlich und unerwartet drin in der Elbphili – und für mich, der ich Konzertsäle „sammele“, war das natürlich ein Ereignis (einige Bilder dazu findet ihr in meinem Instagram-Profil).

Über die 82 m lange Rolltreppe – und eine weitere kleine Rolltreppe – fährt man langsam in den Musiktempel hinein und landet in einem schick designten Gewirr von Treppenaufgängen. Ich hatte das Glück eine Karte für den großen Konzertsaal zu bekommen. Dieser wirkt für seine 2100 Sitzplätze erstaunlich klein oder besser formuliert besonders menschlich. Er ist oval, die Sitzplätze sind auf fünf Ebenen nach dem Weinberg-Prinzip verteilt; einen rechten Winkel scheint es im ganzen Raum nicht zu geben. Die Wände sind mit 10.000 Gipsfaserplatten ausgekleidet, jede Platte ein Unikat in Form und Größe. Plötzlich schoss mir der Gedanke durch den Kopf: Ich fühle mich hier wie in einer Gebärmutter.

Die Akustik ist von herausragender Qualität: Der Klang ist sehr klar, analytisch, fast schon nüchtern. Kein Ton scheint verloren zu gehen oder besonders betont zu werden. Nicht nur hatte ich das Glück, eine Karte zu ergattern, ich hatte sogar noch das Glück, diese für ein Konzert von Ron Carter und Richard Galiano zu bekommen – zwei Götter des Jazz auf ihren Instrumenten. Der Bass von Carter und das Akkordeon von Galliano wurden leicht verstärkt. Gerne hätte ich es in diesem wunderbaren Konzertsaal auch mal ohne Verstärkung gehört – es wäre wahrscheinlich sogar in diesem 2000 Sitzplätze umfassenden Saal gegangen.

Und damit zur Musik: jazzig, swingig, abwechslungsreich – von Jazz-Standards über bluesiges bis hin zu Tango-Musik von Astor Piazzolla. Alles natürlich auf höchstem Niveau, locker und mit größter Selbstverständlichkeit gespielt. Wer das nachhören möchte kann dies mit der neuen CD der beiden tun – An Evening With Ron Carter & Richard Galliano – oder mal schnell in das Youtube- naja-Video s.u. zu „Spleen“ (feine Melodie) reinhören.

Für weitere schöne Stücke empfehle ich eine Suche nach
– Poem (schön slow)
– Earnie and Bennie (up-tempo)
– Ah Rio (Samba)
– See how you are (Blues)

Das war 2014 – musikalisch zusammen gefasst

Irgendwie ist jedes Jahr ein besonderes. So auch 2014. Es ist viel passiert, es gab aber auch viel Alltägliches. Ich hatte wunderbare, einzigartige Momente und ein paar Erlebnisse, die nicht unbedingt eine Wiederholung brauchen. Nicht verwunderlich spiegeln sich die letzten zwölf Monate auch in meinen Musik-Posts wieder. Die folgenden drei Posts fassen das Jahr ganz gut zusammen:

Immer dieser Streß – muss das sein? Ja, manchmal geht es wohl nicht anders, aber ich kann es ganz gut ertragen, wenn es mir gelingt mit Abstand darauf zu schauen.

Traurigkeit, Sehnsucht, Hoffnung – das sind Wörter, die mich einige Zeit in diesem Jahr begleitet haben … und die passende Musik dazu von Chopin.

Freude gut, alles gut – wie so oft gab es viele Momente zum lachen und einfach nur freuen. Und zum Glück konnte ich diese Momente wieder voll genießen – wie schön.

Auf ein Neues in 2015.

Sehr stille Nacht

Wenn´s alte Jahr erfolgreich war,
dann freue dich aufs neue.
Und war es schlecht, ja dann erst recht.

Albert Einstein

http://www.youtube.com/watch?v=8uWaRZQWo_0

So was geht in Deutschland nur in Köln

So viel Disziplin, so viel Strenge, soviel Kontrolliertheit gibt es in diesem Land, aber da ist eine Stadt, eine Stadt in Deutschland, die ist anders,
… Da singen die Leute
… Da lachen die Menschen
… Da gibt es Gemeinschaft (auch wenn sie alle Individualistn sind)
… Da gibt es den Karneval, dieses so ganz undeutsche Ereignis
… Da ist mein Lieblings-Konzertsaal ( und noch viel mehr)
… Da gibt´s Musik ohne Ende

Das gibt es nur in Köln!

Und ach ja, dort gab es das LEGENDÄRE Köln Concert von Keith Jarrett – die CD dazu und insbesondere das folgende Stück Part II c begleitet mich nun schon mein ganzes musikalisches Leben lang.

http://youtu.be/DjCuupHPk7Q

Roots to Grow and Wings to Fly

Wie schön, wir haben ein neues Mitglied in unserer Familie. Für mich ist es das zweite Enkelkind und wie beim ersten ist es ein großes Geschenk und auch ein großes Geheimnis. Zu was für einem Mensch wird dieses kleine, noch schutzlose Wesen sich entwickeln? Wie werden wir zueinander stehen? Wie wird es sich durch das Leben bewegen? Was werden seine Neigungen und Fähigkeiten sein? Und, und, und.

Am Anfang des Lebens ist noch alles offen, die ersten Wege werden jetzt eingeschlagen. Auf die Eltern kommt eine große aber auch sehr schöne Aufgabe zu: ihr Kind ins Leben zu führen, es zu fördern und zu fordern, es aber auch los zu lassen und zu vertrauen. Ich habe großen Respekt davor, was Eltern in der Kindererziehung leisten, sehr großen Respekt.

Es gibt dazu einen sehr schönen Spruch von Johann Wolfgang von Goethe:
Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel

Hier ein tolles Lied von Stefanie Heinzmann mit dem Titel Roots to Grow and Wings to Fly, das doch prima zu dem Anlass passt.

Ist es nicht wunderbar, mit welcher Begeisterung und großer Freude sie singt. Sie hat „ihr Ding“, die Musik, gefunden. Ich wünsche es allen, dass sie auch fündig werden und aus aktuellem Anlass ganz besonders meinen beiden Enkelinnen.

Lebenszeit, Abschied von Tona

Heute hatten wir die traurige Pflicht meinen für mich sehr wichtigen Onkel Tona zu Grabe zu tragen. An solchen Tagen spürt man nochmal besonders, wie wichtig einzelne Menschen für das eigene Leben sind und was sie einem für den eigenen Weg mitgeben.

Der Trauergottesdienst war für mein Empfinden eine ganz bemerkenswerte Andacht, weil der Priester sich auf zwei Aussagen beschränkte. Zum eine auf die Endlichkeit unseres Daseins mit dem Satz: „Lebenszeit – die Zeit ist dein Schiff, sie ist nicht deine Bleibe.“

Zum anderen hat er ein Gedicht von Lothar Zanetti vorgelesen, dass mir sehr gut gefallen hat:

Wir kommen und gehen

Wir kommen und gehen
Wolken im Wind
wer kann es verstehen
wozu wir sind?

Wir kommen und gehen
Spuren im Sand
die Spuren verwehen
keinem bekannt

Wir gehen und wandern
wer treibt uns voran
von einem zum andern
wer zieht uns an?

Wir gehen und hoffen
gegen den Schein
die Zukunft ist offen
sind wir nicht sein?

Quelle: Lothar Zenetti, In Seiner Nähe. Texte des Vertrauens (Topos Plus 431) (c) Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2002 (S. 148).

Zum Abschied von „meinem“ Onkel Tona der kleine und sehr schöne a-Moll Walzer von Frederic Chopin.