Discovering Sound – eine Musikstunde mit der Pianistin Maria João Pires in Belgais

Discovering Sound ist ein hoch interessanter Film über den Weg der persönlichen Entwicklung, die die Weltklasse Pianistin Maria João Pires ihren Schülern in Belgais ermöglicht. Hier kann man miterleben – und manchmal auch mit erleiden (im Teil zu Body Language) – welche Botschaften Pires ihren Schülern mit gibt. Es lohnt sich, sich 80 Minuten Zeit zu nehmen und in den Film ein zu tauchen (die schlechte Bildqualität wird durch den Wert des Inhalts aufgehoben).

Die Schüler bei Pires sind allesamt technisch ausgereifte Pianisten. Was gibt es so Besonderes in Belgais zu lernen? Die Botschaft von Maria João Pires ist, dass nur derjenige (neben allen technischen Fertigkeiten) zu einem wahren Musiker wachsen kann, der es geschafft hat, im Einklang mit sich selbst zu sein. Nur dann wird sich beim musizieren ein Flow-Erlebnis einstellen. Nur dann wird man mit dem Klavierspiel andere Menschen berühren können.

Pires: „Was wir hier machen ist, Menschen auf zu wecken. Meistens wissen die Menschen, die hierher kommen, nicht wonach sie suchen. Sie meinen sie sind hier, um Karriere zu machen oder mehr Konzerte spielen zu können. Sie versuchen dann etwas, was gegen ihrer selbst ist. Wenn Sie aber versuchen, sich selbst zu finden, dann werden sie so eine unglaubliche Kraft haben, das alles möglich sein wird. Die Menschen haben keine Vorstellung von der Kraft, die entsteht, wenn sie bei sich selbst sind. Sie wissen nicht, dass sie damit alles tun können, einfach alles.“

Ab Minute 29 beginnt der geradezu schmerzlich beeindruckende Teil zum „Body Language“. Der Body-Language-Trainer wählt Juliana (Steinbach) als erste Studentin aus. In den folgenden Minuten erlebt und erleidet man mit, über welchen harten Weg der „Entblößung“ es wohl unausweichlich gehen muss, um zu sich selbst zu finden, seine eigene Stimme zu finden und sie in seiner Musik zum Ausdruck zu bringen. Man sieht in den Gesichtern der anderen Studenten welcher Kraftakt hier vollbracht wird, eine Mischung aus peinlichem berührt sein, äußerster Anspannung und fast schon körperlichem Schmerz. Auch Juliana scheint es sehr unangenehm und peinlich zu sein. Sie wirkt verspannt, hat körperliche Schmerzen und wohl niemand im Kurs würde sich wundern, wenn sie aufstehen und den Raum verlassen würde. Aber sie stellt sich der Herausforderung, geht den ganzen Prozess durch und am Ende spielt sie, und wie!

Eine wesentliche Botschaft aus dem Body Language Teil formuliert der Trainer so: „Das was ich versuche, ihr beizubringen ist, nicht zu ignorieren, was ihr Körper tut. Der Körper ist magisch. Wenn du mit ihm sprichst, dann versteht er dich. Wenn du deinem Körper sagst ‚Hey, du hältst etwas fest!‘, dann wird der Körper es sofort loslassen.“ … „Es geht vor allem darum, die Wände der Verteidigung, die wir aufgebaut haben, zu vergessen.“

Zum Schluß noch ein paar interessante Aussagen von Maria João Pires:

„Wettbewerb zerstört den Blick auf das eigene Ich. Man schaut auf den Wettbewerber und verliert sich selbst aus den Augen. Ist er besser als ich? Das bringt die junge Generation weit weg von der Wahrheit, die sie zu sich selbst führen kann.“

„Den Erwartungen entsprechen zu wollen wird zu einem erdrückenden Gewicht und verhindert zu spielen und Spaß zu haben. Am Klavier bist du alleine, also habe Spaß.“

PS: Für meinen Geschmack besonders schöne Stücke bei Min 12.00, Min 44,10, Min 1.08.50.

Wie ich zum besten Schlagzeuger der Welt wurde – und warum

Seit geschlagenen sechs Jahren liegt dieses Buch auf meinem Lesestapel! Warum habe ich es nur nicht früher gelesen? Es geht ums Schlagzeug spielen, aber eben nicht nur. Aus dem Klappentext: “Also, eigentlich schien mir mein Leben immer ganz normal. Ich bin ein rappeldünner Spinner namens Steven, am Schlagzeug habe ich die lockersten Handgelenke der Schule, das schönste Mädchen der Klasse beachtet mich nicht, und ich muss mich mit meinem nervigen kleinen Bruder Jeff herumschlagen. Aber dann kam der 7. Oktober, der Tag, als Jeff plötzlich ins Krankenhaus musste. Nichts war mehr wie vorher und meine ganze Familie wurde aus der Umlaufbahn getragen… Trotzdem, mein großes Schlagzeugsolo auf dem Schulkonzert lass ich mir dadurch nicht verderben! Wofür habe ich schließlich ein Jahr lang geübt!?”

In einer Rezension schreibt Frank Mc Court: “Ein kühnes Buch – Sonnenblick (der Autor) versprüht einen solchen Charme und Humor, dass man gar nicht merkt, wie er einem das Herz bricht.”

Und so ist es auch. Was locker, flockig und gut erzählt in pubertierender Jugendsprache beginnt, wird bitter ernst. Was bleibt einem zunehmend verzweifelten, irritierten, alleine gelassenen Jugendlichen: in diesem Fall zum Glück die Musik, konkret das Schlagzeug. Musik schafft es, die Welt für einige Zeit vollkommen aus zu blenden. Ein kurzer Auszug aus dem Buch – Steven übt mit der Schulband: “Dann nahmen wir uns eins der neuen lateinamerikanischen Stücke vor, einen Dizzy-Gillespie-Song namens Manteca. Weil zwei Schlagzeuger fehlten, musste ich wahnsinnig schnell spielen, damit die Schlagzeugstellen gut und laut genug rüberkamen. Mein rechter Fuß betonte die Akzente, mein linker Fuß spielte wie ein Metronom bei zwei und vier die Hi-Hat-Maschine, meine rechte Hand flog zwischen der Kuhglocke und einem Crash-Becken hin und her, und meine linke Hand wechselte zwischen der Trommel und den Toms. Plötzlich passierte etwas Seltenes und Erstaunliches mit mir: Ich war wie in Trance. Ihr wisst schon, so, wie Baseballspieler manchmal über Spiele reden, wenn der Ball im Zeitlupentempo auf ihren Schläger zufliegt und aussieht wie eine riesige Melone, die nur darauf wartet, dass einer auf sie draufhaut. So fühlte es sich an. Als ob ich nichts falsch machen könnte. Ich steckte so tief in der Musik, dass ich nicht mehr überlegen musste – mein Körper machte alles perfekt, wie von alleine.

Da will man doch wissen, bei welchem Stück der gute Steven zwei Schlagzeuger ersetzen musste! Voila:

Foto: Kreepin Deth | Quelle und Lizenz: Wikimedia

Das war 2014 – musikalisch zusammen gefasst

Irgendwie ist jedes Jahr ein besonderes. So auch 2014. Es ist viel passiert, es gab aber auch viel Alltägliches. Ich hatte wunderbare, einzigartige Momente und ein paar Erlebnisse, die nicht unbedingt eine Wiederholung brauchen. Nicht verwunderlich spiegeln sich die letzten zwölf Monate auch in meinen Musik-Posts wieder. Die folgenden drei Posts fassen das Jahr ganz gut zusammen:

Immer dieser Streß – muss das sein? Ja, manchmal geht es wohl nicht anders, aber ich kann es ganz gut ertragen, wenn es mir gelingt mit Abstand darauf zu schauen.

Traurigkeit, Sehnsucht, Hoffnung – das sind Wörter, die mich einige Zeit in diesem Jahr begleitet haben … und die passende Musik dazu von Chopin.

Freude gut, alles gut – wie so oft gab es viele Momente zum lachen und einfach nur freuen. Und zum Glück konnte ich diese Momente wieder voll genießen – wie schön.

Auf ein Neues in 2015.

Udo Jürgens heute gestorben

Heute ist im Alter von 80 Jahren ganz überraschend Udo Jürgens an einem Herzinfakt gestorben. Über 50 Jahre auf der Bühne, über 1000 komponierte Lieder und über 100 Millionen verkaufte Tonträger. Er war ein herausragender Entertainer. Wer jemals ein Live-Konzert von ihm gesehen hat, und sei es nur am Fernsehen, konnte seine Power und Begeisterung für die Musik erleben und das bis ins hohe Alter von 80 Jahren. Am Ende eines Konzertes war er bis auf´s letzte Hemd durchgeschwitzt. Kamillentee und weißer Bademantel gehörten ebenso zu ihm wie seine gesellschaftskritischen Töne im dunklen Anzug.

Seine Lieder leben weiter …

in the mood for music

Frédéric Chopin – Trauer, Sehnsucht, Hoffnung

Frédéric Chopin gilt als einer der besten Komponisten für Klaviermusik. Er hat besondere Musik geschrieben – besonders emotionale und, wie ich finde, innige Musik.Sein musikalisches Werk spiegelt sein Leben wider, das im Alter von 20 Jahren eine einschneidende Wendung erfuhr. Frédéric war nach Wien aufgebrochen, um einen Freund zu besuchen, als wenige Tage später in Polen der Novemberaufstand gegen die russische Besetzung begann. Aus der anfänglichen Empfehlung, zunächst in Wien zu bleiben, wurde später die bittere Gewissheit, dass er nie wieder in sein geliebtes Polen zurückkehren konnte – ein tiefer Schmerz, der ihn den Rest seines leider sehr kurzen Lebens (er starb mit 39 Jahren) nie wieder los ließ. Aber er war sicherlich auch ein optimistischer Mensch, zumindest ein Mensch mit einer tiefen Sehnsucht und Hoffnung, dass diese Wunde eines Tages wieder heilen würde.

Alice Sara Ott hat 2010 die neunzehn Walzer von Chopin unglaublich feinfühlig und nuanciert eingespielt – für meine Ohren eine Glanztat. In dem sehenswerten Video zur CD gibt sie eine Empfehlung von Chopin wieder, seine Musik im Dunkeln auf dem Klavier zu spielen, um wirklich die Stimmung nachzuempfinden. Nun ist seine Musik selbst in den dunklen Passagen nie depressiv, sondern eher von Trauer und Sehnsucht geprägt. Sicher ein Grund, warum man sie immer wieder hören kann. Und typisch Chopin: es gibt stets eine Wendung ins Positive, die Hoffnung, dass doch noch alles gut wird – oder die Erinnerung an eine schöne Zeit. Genau diese Stimmungswechsel bringt Alice Sara Ott mit ihrem Spiel phänomenal heraus. Meine Empfehlung für dunkle und helle Tage.

Wie man das Klavier zum Singen bringt

Musik erzählt uns Geschichten auf ihre ganz eigene und unnachahmliche Art. Aber nicht jede Geschichte geht unter die Haut. Es kommt auf viele Details an: spricht mich das Thema an, erfasst es meine Stimmung, und natürlich: wie ist es erzählt?

Eine Geschichte am Klavier hat viel mit dem Ton – oder wie Pianisten auch sagen – mit der Stimme, dem Gesang des Spiels zu tun. Aber wie bringt man ein Klavier zum Singen? Wer kann das besser erklären als eine russische Pianistin? Anna Gourari sagt von sich selbst, dass sie melancholisch ist, vielleicht zu melancholisch. Für Klavierfreunde und Freunde der russischen Seele in der Musik ist das ein Glücksfall. Denn das Melancholische in der russischen Musik lebt ganz besonders von der vortragenden Stimme. In diesem kurzen Video von klickklack erklärt sie, wie man das am Klavier macht -… wenn es doch nur so einfach wäre.

http://www.youtube.com/watch?v=WfeF7_boOaI

Enlightenment – it´s always up to you

Hier kommt einer meiner all-time-Favorites von einem meiner all-time-Favorite Musikern – „Enlightenment“ von Van Morrison aus dem gleichnamigen Album von 1990. Was begeistert mich an dem Stück? Es ist natürlich, wie immer bei Van Morrison, seine besondere Stimme. Großartig ist auch, wie die Musik ohne anzuecken, wie an einem Strich gezogen, ohne Wendungen vom Anfang bis zum Ende durchläuft. Und es ist der Text/das Thema, das wohl jeden von uns immer wieder beschäftigt: Wie schaue ich auf die Dinge des Lebens? Wie gehe ich damit um, was kann ich ändern, was akzeptieren? Während die Musik durchgängig positiv ist, eckt der Text immer wieder an (don´t know what it is). So wie man im Leben immer wieder aneckt. Man ist auf der Suche nach der richtigen Antwort und dem richtigen Weg und diese Antwort ist häufig nicht einfach zu finden. Dabei liegt sie meistens in uns selber verborgen …

Every second, every minute
it keeps changing to something different
Enlightenment, don´t know what it is

wake up
Enlightenment says the world is nothing
nothing but a dream everything is an illusion
and nothing is real

Good or bad baby
you can change it anyway you want
you can rearrange it
Enlightenment, don´t know what it is

All around baby, you can see
You´re making your own reality everyday
Enlightenment, don´t know what it is
It´s up to you
Enlightenment, don´t know what it is
It´s always up to you, the way you think

Sehr stille Nacht

Wenn´s alte Jahr erfolgreich war,
dann freue dich aufs neue.
Und war es schlecht, ja dann erst recht.

Albert Einstein

http://www.youtube.com/watch?v=8uWaRZQWo_0

So was geht in Deutschland nur in Köln

So viel Disziplin, so viel Strenge, soviel Kontrolliertheit gibt es in diesem Land, aber da ist eine Stadt, eine Stadt in Deutschland, die ist anders,
… Da singen die Leute
… Da lachen die Menschen
… Da gibt es Gemeinschaft (auch wenn sie alle Individualistn sind)
… Da gibt es den Karneval, dieses so ganz undeutsche Ereignis
… Da ist mein Lieblings-Konzertsaal ( und noch viel mehr)
… Da gibt´s Musik ohne Ende

Das gibt es nur in Köln!

Und ach ja, dort gab es das LEGENDÄRE Köln Concert von Keith Jarrett – die CD dazu und insbesondere das folgende Stück Part II c begleitet mich nun schon mein ganzes musikalisches Leben lang.

http://youtu.be/DjCuupHPk7Q